
Wege durch die Sammlung
Private Andacht
Nicht alle Kunstwerke des Mittelalters wurden für die Feier der Liturgie und für die Ausstattung der Kirchen angefertigt. Ab dem 14. Jahrhundert entstanden in wachsender Zahl kleinformatige Bilder, Skulpturen und Grafiken für die private Frömmigkeitsausübung einzelner Gläubiger. Darstellungen des Gekreuzigten mit überdeutlichen Wundmalen oder des Auferstandenen als „Schmerzensmann“ sollten das Leiden Christi nacherlebbar machen und zum Mitleiden (compassio) auffordern. Zu jenen Andachtsbildern gehört auch die sog. Pietà (ital. Mitleid): Maria betrauert ihren toten Sohn, den sie auf ihrem Schoß dem Betrachter präsentiert. Bilder dieser Art appellieren immer auch an die Emotionen ihrer Betrachter. Aus süddeutschen Frauenklöstern ist überliefert, dass Nonnen bei der Betrachtung kleiner Christkindwiegen die Geburt Jesu nacherlebt haben sollen. Unmittelbar zur Gebetsausübung wurden Paternosterketten und Rosenkränze hergestellt. Manchmal sind einzelne Rosenkranzglieder als Wendehäupter geschaffen – halb Mensch, halb Skelett – und erinnern an die Vergänglichkeit des irdischen Lebens. Für jedermann erschwinglich waren die häufig in minderer künstlerischer Qualität entstandenen kleinen Tonfigürchen oder Papiermassereliefs. Kleinen grafischen Andachtsbildern, die an Wallfahrtsstätten verkauft wurden, schrieb man eine besondere Wirkmacht zu: Durch Berührung mit den Reliquien waren z.B. die sog. Dreikönigenzettel mit Heilkraft aufgeladen und konnten den Besitzer vor manchem Unheil schützen. Schluckbilder konnten als heilige Medizin sogar verzehrt werden.